Es muss nicht immer „Römisch-Katholisch“ sein – ein Credo für die Freiheit des Anlegens!

Ja, im Mittelmeer ist „Römisch-Katholisch“ – Anlegen DER Standard. (Für alle Ostsee Segler: damit ist gemeint, dass mit dem Heck zur Pier festgemacht wird. Am Bug hält dann meist eine Mooringleine oder der eigene Anker das Schiff). Es gibt viele wunderbare Tipps, wie man so perfekt anlegt. Zum Beispiel hier:

https://www.youtube.com/watch?v=HAqHWX6vyT4

Aber es darf kein Dogma sein! Manchmal gibt es einfach Bedingungen, wo die gute Seemannschaft es gebietet, anders anzulegen . Wir segeln seit mehr als 30 Jahren im Mittelmeer.  Wie oft mussten wir erleben, wie selbst erfahrene Crews durch selbst auferlegten Zwang oder durch den vermeintlichen Zwang eines Marineros, oder warum auch immer ihr Schiff und Nachbarlieger in Gefahr brachten, weil die Bedingungen oder der Liegeplatz einfach nicht geeignet für dieses Anlegemanöver waren.

Schauplatz Calvi, Korsika, letzten Herbst: eine SKS-Ausbildungscrew mit acht Personen an Bord läuft in den Hafen ein. 5-7 Bft stehen jetzt direkt auf die Pier, an der wir am Vortag bei noch ruhigen Bedingungen „Römisch-Katholisch“ fest gemacht hatten. Rechts neben uns, zum Ende der Pier waren noch vier Liegeplätze frei. Der Ausbildungsskipper sah sich durch einen hilfsbereiten Franzosen (den er für den Hafemeister hielt), der am Ende der Pier eine Mooring aus dem Wasser geholt hatte genötigt, dort anzulegen. Es kam, wie es kommen musste: beim Aufstoppen an der Pier, bevor ein Festmacher durch den Ring an der Pier gefädelt und klar zum Eindampfen war, hatte der starke auflandige Wind den Bug schon 70° seitlich gedrückt, der Anker drohte sich mitschiffs in unser Seite zu Bohren. Ich blickte beim Abdrücken in die Augen von drei  übernächtigten, nach einer Nacht mit 8 Bft am Cap Corse noch leicht verstörten Segelschülern, die nicht verstanden, warum dies ihnen nicht erspart geblieben war. Der starke, auflandige Wind und ein fehlendes Boot zur Stütze an der Seite hatten dieses Anlegemanöver unmöglich gemacht.

Eine Stunde später der zweite Akt: eine französische Eigner Crew mit sechs erfahrenen Seglern an Bord lief ein. Inzwischen war der junge Marinero wieder von der Beerdigung des Bürgermeisters zurückgekehrt. Er wies dem Skipper, ebenfalls durch Anheben der Mooringleine, einen Platz eine halbe Bootslänge rechts neben uns zu. Der mehrfache Hinweis, dass er bei diesen Bedingungen Unmögliches von dem Skipper verlangte, wurde unwirsch beiseite gewischt. Fünf Minuten später das gleich Bild – mit einer kleinen Variation: der Bug bohrte sich nun in das Segelschulschiff und wir hatten zur Abwechslung mit dem Heck des quer vertriebenen Schiffes zu kämpfen.

Dabei wäre dies alles vermeidbar gewesen. Im Hafen waren noch genügend andere Plätze frei gewesen, wo man – zumindest vorübergehend – hätte anlegen können. Und wenn es auch nur die Tankstelle war, von wo aus  „die Lage in Ruhe gepeilt“ wurde.

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Wir haben in unserer seglerischen Karriere selbst viele Anlegemanöver „verkorkst“, wo wir vermeintlich gezwungen waren „Römisch-Katholisch“ anzulegen aber es nicht angebracht war. Was haben wir daraus gelernt?

  1. Wir entscheiden, ob der Anlegeplatz bei diesen Bedingungen geeignet ist oder nicht. Kein Marinero oder Stegnachbar macht das für uns.
  2. Gerne lassen wir uns ggfs wutentbrannt anschnauzen, wenn wir, weil es einfacher ist oder wir mehr Ruhe und Privatsphäre wollen, vorwärts in die Lücke fahren.
  3. Bei starkem Seitenwind achten wir, wo immer möglich darauf, dass ein Nachbarschiff im Lee zum avisierten Liegeplatz liegt und steuern diesen Platz direkt an. So vertreibt man nicht quer an den Nachbarn und es gibt keine Schäden. Später können wir uns immer noch, falls nötig, einige paar Meter nach Luv verholen. Da hilft ggfs. die Genua oder auch die Ankerwinsch, wenn die Muskelkraft nicht ausreicht.
  4. Wir nutzen die Mittelklampen. Die Mittelklampen führen im Mittelmeer oft ein mittleres Schattendasein. Dabei ist die Mittelklampe des Nachbarschiffs ggfs. der perfekte „Notnagel“ um ein Quertreiben zu verhindern, bis in Ruhe eine Heckleine im Luv belegt ist. Und so geht´s: Gut Abfendern, mit ausreichend Schwung anfahren, dass man an die Mittelklampe des Nachbarn kommt; den Festmacher einmal rum und auf dem eigenen Schiff belegen; vorsichtig Eindampfen. Das funktioniert vorwärts und „Römisch-Katholisch“ und nimmt bei kleiner Crew eine Menge Stress aus dem Manöver. Voraussetzung ist natürlich, dass der potenzielle Nachbarlieger nicht zu klein ist.

Fazit: Es muss nicht immer „Römisch-Katholisch“ sein. Das gilt beim Anlegen wie beim Glauben. Keine Bootsversicherung wird es interessieren, wenn wir bei der Schadensmeldung angeben: „Ich dachte, ich muss „Römisch-Katholisch“ anlegen“. Es ist für uns als Skipper allein unsere Entscheidung. Es gibt fast immer andere Optionen.

Und übrigens: Wir sind fest davon überzeugt, dass uns auch Gott, wenn wir einst vor ihm stehen werden, nicht fragen wird, ob wir einer bestimmten Kirche angehört haben. Es wird einzig darum gehen, ob wir dem Sohn Gottes, Jesus Christus, vertrauen, dass er unsere Schuld  am Kreuz getragen hat. Wie schon Luther sagte; „allein durch Gnade und allein durch den Glauben….“! 😇

5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Roland Hinke
    2. Juni 2019 15:36

    Hallo Henning und Gattin(sorry, habe Ihren Namen nicht sicher mitgekriegt),
    Wir sind uns soeben vor Sardinien begegnet. Mein Skipper, Peter Wackerbauer, hat die HR 37.
    Euer Blog ist sehr lesenswert. Danke, wir werden Euch heute Abend die Bilder von Euch und Eurem Schiff schicken.
    Gute Fahrt weiterhin!
    Roland und Peter

    Antworten
  • Hi Sylvia und Henning, ich liebe eure Blogposts, die sind so herrlich unkompliziert und trotzdem mit extrem viel Info verbunden. Und wenn wir die Mittelmeerfotos sehen, wollen wir am liebsten sofort direkt runter in den Süden! Liebe Grüße von Ulli und Christoph, derzeit mit Segelboot Maha Nanda noch im kalten Ärmelkanal.

    Antworten
    • Sylvia Franke
      13. Juni 2019 14:56

      Vielen lieben Dank Euch und prima, dass Euch die Beiträge gefallen.
      Ärmelkanal war nicht unser Ding. Wir haben uns auf dem Weg zur Biskaya bewusst für den kleinen Umweg über Schottland und Irland entschieden… und keine Sekunde bereut.das gab dann auch von Kinsale/Irland einen prima Winkel um über die Biskaya zu kommen.
      Jetzt treiben wir uns in Korsika und Sardinien rum und trauen uns kaum zu sagen, dass wir heute bei 24 Grad Wassertemperatur gebadet haben.
      Liebe Grüße
      Henning & Sylvia

      Antworten
  • Ihr Lieben
    Ihr habt so recht! Noch schlimmer ist es übrigens auf einem Charterboot. Wir haben beides schon erlebt: Beim Eignerboot ist meist noch ein Funken Respekt dem Mann/der Frau am Steuer und seiner/ihrer Entscheidung gegenüber vorhanden. Beim Charterboot macht es im Kopf vieler Marineros „= Idiotenboot“. Am Anfang haben wir uns immer wieder verunsichern lassen. Unsere Anlegemanöver wurden erst ruhig, als wir eine eiserne Regel eingeführt haben: Solange es die Sicherheitslage zulässt, ist die Person am Steuer die EINZIGE Person, die Anweisungen gibt. Dabei finden wir wirklich, das es besonders im Mittelmeer Marineros ohne Verständnis gibt. In Kroatien eine Marina, die konsequent zuerst die Lee-Leine anbietet, obwohl wir sie schon x mal darauf hingewiesen haben. Auf Elba eine Marina, die ohne zu Fragen beim Anfahren der Lücke mit ihrem Zodiac am Bug rumschubste. Auf Mallorca ein Marinero, der darauf bestand, dass wir mit 1.90 Tiefgang in einen Platz mit 1.90 Tiefe fahren sollen. Da kommen jeweils Sätze wie „You are Captain on the boat, we are Captain in the marina“. Worauf wir dann meist erwiedern: „You are captain as soon as you pay if something goes wrong.“ Um das aber auch zu sagen: Wir haben jeweils ein kleines Geschenk für Marineros dabei. Auf diese Art haben wir schon so tolle Erfahrungen gemacht und unglaublich liebenswerte Menschen kennengelernt. Danke für Euren Blog-Beitrag, es tut gut, sowas von so erfahrenen Crews zu lesen! Und immer eine Handbreit…

    Antworten
    • Sylvia Franke
      26. Dezember 2019 13:52

      Lieber Michael,
      ich finde, das ist eine super Idee mit einem kleinen Geschenk für die Marineros. Das sind ja of arme Kerle, die bei jedem Wetter raus müssen und sich sicher, berechtigt oder nicht – einiges anhören müssen. Und sicherlich haben die meisten noch nie ein Segelboot angelegt … . Also, danke für den Tipp – wird übernommen!
      Herzliche Grüße und ein schönes segleriches 2020
      Henning und Sylvia

      Antworten

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