„Jetzt oder nie“! Im Seglerjargon nennt man das „Wetterfenster“. Im Spätherbst unterwegs zu sein bedeutet intensives Studium der Wetterkarten. Denn eine stürmische Wetterlage folgt oft auf die andere und die Gelegenheiten, um voranzukommen sind kurz. Man braucht dann wieder ein gut geschütztes Plätzchen, um sich ein paar Tage vor dem Starkwind zu verstecken. Dafür sind die Ankerplätze und Häfen leer, man hat die freie Auswahl.
Für uns tat sich so ein „Fenster“ von 24 Stunden auf, von Kalamata um die zwei gefürchteten östlichen Kaps des Peleponnes zu kommen. Es war sogar die meiste Zeit Flaute, so dass wir viel Motoren mussten, bis wir nachts auf der Kykladeninsel Milos ankamen.
In die Insel Milos haben wir uns sofort verliebt. Die riesige, fast rundum geschlossene Bucht, in der die kleine Marina liegt und das Städtchen mit den typisch weißen Häusern, sind wie aus dem Bilderbuch. Ausserdem bot der Hafen guten Schutz vor dem Nordwind, der mit gut 30 Knoten Wind vorhergesagt war. Zeit genug für uns, die Insel zu erkunden. Die hat wirklich viel zu bieten: von frühchristlichen Katakomben über ein römisches Amphitheater bis hin zu Canyons mit Piratenhöhlen. Der vulkanische Ursprung ist in blubbernden heissen Quellen am Strand immer noch spürbar, an denen sich Sylvia fast die Füße verbrannt hätte.
Einen Tag mit moderaten Winden nutzten wir, die 15 Seemeilen zur Insel Sifnos nach Nordosten zu segeln. Dort gibt es im Süden eine herrliche, fast rundum geschlossene Bucht, die uns Schutz vor den nächsten drei Tagen Starkwind aus Norden geben sollte. Dank unserer 1,45 Meter Tiefgang konnten wir uns längsseits an den kleinen Pier direkt an der Dorfkirche klemmen. Behüteter kann man nicht liegen und vom knattern der Böen war dort kaum etwas zu spüren. Sifnos ist übrigens ein Wanderparadies. Die Wege sind so gut beschildert, wie wir es bisher nirgendwo gesehen haben. Es geht mächtig hoch und runter aber immer mit Meerblick durch eine atemberaubende Landschaft. Gerne kommen wir im Frühjahr wieder für noch ein paar schöne Touren.
Nach intensivem Studium der Wetterkarten entschieden wir uns, noch weiter nach Osten zu segeln und über die Dodekanes Inseln nach Kreta zu stossen. Das bedeutete viel Strecke aber guten Wind und schöne Inseln. So kamen wir, über einen kleinen Zwischenstopp auf der winzigen Insel Schinouza auf Astypalaia an. Geformt wie ein Schmetterling liegt die Insel mitten in der östlichen Ägäis und abseits der Touristenströme. Der kleine Hafen mit der eindrucksvollen Chora darüber, die Festung, Kirchen und Windmühlen aufnimmt, hat es uns angetan. Oft sind wir die unzähligen Treppen hinaufgestiegen, die traumhafte Aussicht zu geniessen. Einmal sprach Sylvia eine ältere Griechin auf ihr wunderschön hergerichtetes Haus an. Die freute sich so sehr, dass sie Sylvia mit selbst hergestellten Lebensmitteln versorgte. Im Gegenzug bekam sie ein griechischen Neues Testament, worüber sie sich auch sehr freute – Griechenland halt 🙂
Für den 75-Seemeilen- Schlag nach Kasos bekamen wir starken achterlichen Wind und hohe Welle von hinten. Das war zwar eine flotte Überfahrt, doch gerade in der Nacht machte der Schaukelkurs uns echt zu schaffen. Auf Kasos bekamen wir einen Liegeplatz längsseits an dem Pier zwischen zwei Fischern. Da drückte uns der Wind mit bis zu 40 Knoten Windgeschwindigkeit kräftig drauf. Grossartig, was unsere Fender und Fenderbretter so abkönnen! Das Inselchen hat 1.000 Einwohner und jeder kennt jeden. Wären wir nur einen Tag länger geblieben, hätten wir wohl eine griechische Hochzeit erlebt, denn die ganze Insel war eingeladen … . Aber wir mussten das Wetterfenster nutzen, nach Kreta rüber zu kommen. Das wäre uns sonst für eine Woche verwehrt geblieben.
Ein netter Zwischenstopp im Städtchen Sitia brachte uns schon näher an unseren zukünftigen Heimathafen Agios Nikolaos. Aber den 1. Advent wollten wir noch in einer schönen Ankerbucht 10 Seemeilen nördlich davon feiern.
Die Nacht war zwar eine unserer windigsten vor Anker, aber unser Rocna Anker und die siebenfache Länge der Kette iVz Wassertiefe liessen uns stabil liegen. Immerhin konnten wir mal wieder am 1. Advent im glasklaren Wasser schwimmen gehen.
Die letzten 8 Seemeilen bis zur Marina von Agios Nikolaos gestalteten sich schwieriger als erwartet. Bis zu 30 Knoten Wind aus Süden standen auf die Hafeneinfahrt, so dass wir uns entschieden erst einmal in einer Bucht vor Anker zu gehen und zu warten, bis der Wind etwas abflaute. Tatsächlich konnten wir nach ein paar Stunden bei viel besseren Bedingungen in die Marina zu unserem Liegeplatz fahren, wo uns eine lebendige Langfahrer Community herzlich begrüßte. Toll, dass die Ersatzteile der Siriuswerft auch schon angekommen waren. Herzlichen Dank an die Sirius-Werft für den tollen Service! Jetzt haben wir ein paar Tage, um die „Amazing Grace“ winterfest zu machen, aber auch etwas von der Insel zu sehen. Mitte Dezember geht es für zwei Monate zurück nach Deutschland.
Unser Fazit: wunderschön, im Herbst auch etwas anstrengend, Segeln in Griechenland. Man sieht oft tagelang kein anderes Schiff, geschweige denn ein Segelboot und das Wetter erfordert viel Aufmerksamkeit. Aber es lohnt sich!!
3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Wow! Was für tolle Bilder! Nachdem wir hier in allen Varianten von Grau schwelgen können, habe ich ein wenig von der Sonne auf euren Fotos genossen. Schön, dass es euch gut geht und ihr Zeit genießen könnt. Wir freuen uns schon darauf, euch zu sehen.
Liebe Grüße aus Monnem
Wieder so tolle Bilder und Erlebnisse!! Ich freue mich immer wieder zu lesen und zu lernen was ihr gerade macht!! Ganz toll!!! Herzliche Grüße
Das freut uns sehr! Wir haben es auch genossen, auch wenn es zT herausfordernd war. Wir freuen uns aber auch schon auf Februar, wenn es weiter gehen soll…